Schulterschmerzen verstehen - Einblicke in die körperlichen und psychischen Zusammenhänge

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Häufige Diagnosen für Schulterschmerz lauten Schulter-Arm-Syndrom, Impingement-Syndrom oder Schultergelenksarthrose. Die Ursache des Problems ist damit meist nicht beschrieben. Der häufigste Grund für Schulterschmerz ist ein Ungleichgewicht des Zusammenspiels von Muskeln, Faszien und Sehnen. In diesem Blog-Artikel erfahren Sie etwas über die körperlichen und psychischen Zusammenhänge von Schulterschmerzen und was Sie selbst tun können.

Schulterschmerzen können schrecklich sein

 

Im Winter habe ich die Tapeten in unserem Wohnzimmer abgewaschen. Ich musste meine Arme immer wieder über Kopfhöhe heben und das hatte nachhaltige Folgen. Meine rechte Schulter beruhigte sich nicht mehr. Trotz aller Maßnahmen auf die ich als Körpertherapeutin zurückgreifen kann, wie Kinesio-Tape, zielgerichtete Übungen und Selbstbehandlung der Faszien, zogen einige schmerzhafte Wochen ins Land. Es kam der Punkt, an dem ich ernsthaft über ein Auto mit Automatikgetriebe nachgedachte. Dann habe ich mich um Hilfe bemüht und ein Kollege hat mich innerhalb von drei Sitzungen von den Schmerzen befreit. Welche Erleichterung – danke Christian 😊.

Der Preis der Beweglichkeit - Anatomie der Schulter

Die Besonderheit der Schulter: sie ist ein muskelgeführtes Gelenksystem. Das macht sie beweglich, aber auch anfällig. Das eigentliche Schultergelenk besteht aus dem kugeligen Oberarmkopf und einer Gelenkfläche auf dem Schulterblatt, der Schulterpfanne. Die Schulterpfanne ist recht flach und gewährt der Schulterkugel viel Spiel.

Diese Konstruktion gewährleistet den großen Bewegungsradius unserer Arme. Muskeln, Bänder und Sehnen bewegen die Schultergelenke und sorgen gleichzeitig für die nötige Stabilität.

Das komplexe Zusammenspiel gerät aus der Balance, wenn sich verspannte und verkürzte Muskeln auf die Bewegungsfreiheit auswirken. Dann sind schon kleinere körperliche Herausforderungen Auslöser für Sehnenreizungen und Bewegungsschmerz.

Schulterschmerzen - Zusammenhänge und Auslöser

1. Muskuläres Ungleichgewicht im Körpersystem

 

Tennisspielen, Über-Kopf-Arbeiten und überhaupt wiederholte einseitige Belastung des Arms können auch bei ausgewogener Muskulatur Probleme auslösen.

Wenn ich 10 Fenster putze und die Gardinen abhänge, wasche und wieder aufhänge, wundere ich mich nicht über den Protest meiner Schultern. Die Muskeln sind überfordert und reagieren entsprechend mit Schmerzen und Reizungen.

 

Wenn ich jedoch zwei Fenster putze und dann Schulterschmerzen bekomme, frage ich mich nach dem Grund dafür. In diesem Fall steht der Auslöser nicht im Verhältnis zu den Auswirkungen.

Das Problem liegt auch nicht immer an der Schulter selbst:

  • Eine Verkürzung der Becken- oder Bauchmuskeln
  • Probleme mit der Wirbelsäule
  • ungünstige Haltungsgewohnheiten oder sogar
  • eine alte Sprunggelenksverletzung

üben Zugkräfte auf den Schultergürtel aus und können das Gleichgewicht der lokalen Kräfte stören. Diagnostisch macht es also Sinn das ganze Körpersystem in den Blick zu nehmen.


Gut zu wissen:

Unser Körper versucht immer, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen. Er gleicht eine Störung so lange wie möglich aus. Schmerz zeigt an, dass er mit dieser Aufgabe überfordert ist und Aufmerksamkeit und Fürsorge benötigt.


2. Die Rolle der Psyche

 

Jede Emotion geht mit einer körperlichen Reaktion einher. Wenn wir Angst haben, ziehen wir die Schultern unwillkürlich hoch, erleben wir Wut, ballen sich unsere Fäuste. Müssen wir Angst oder Wut oft unterdrücken oder stehen ständig unter Stress, schlägt sich diese innere Anspannung als körperliches Spannungsmuster nieder.

Ein Schulterschmerz kann möglicherweise auch so übersetzt werden:

  • „Ich möchte mich abgrenzen und traue mich nicht.“
  • „Ich müsste mal auf den Tisch hauen und gestehe mir das nicht zu.“
  • „Ich würde gern meine Hand sehnsuchtsvoll ausstrecken und habe Angst vor Ablehnung.“

Diese Ängste und innere Konflikte spiegeln sich auf körperlicher Ebene wider. Die Schulter schmerzt dann, weil eine blockierte Bewegung die Muskeln unter Dauerstress setzt.

 

Ebenfalls anfällig für Probleme sind die chronisch hochgezogenen oder nach vorn eingerollten Schultern. In der Regel ist diese Haltung ein sichtbares Zeichen von Angst, Stress oder häufig erlebten Schrecken in der Lebensgeschichte, das sich körperlich manifestiert hat.

3. Organbelastung

 

Über das Netz, das die Faszien bilden, stehen alle Teile unseres Körpers, einschließlich der inneren Organe miteinander in Verbindung. Eine Belastung oder Störung der Eingeweide oder der Atmung kann sich – unter anderem natürlich – durch Schulterschmerzen zeigen.

 

Möglich ist beispielsweise, dass

  • eine Leberbelastung sich auf die rechte Schulter auswirkt
  • Obstipation, also Verstopfung, den Dickdarm nach unten zieht und damit auf den Schultergürtel wirkt
  • eine eingeschränkte Beweglichkeit des Zwerchfells zu einer Muskelverspannung im Schultergürtel führt

 


Gut zu wissen: Langfristige Folgen von Dysbalancen

Es beginnt vielleicht mit einem Gefühl der Verspannung im Schultergürtel. An dieser Stelle braucht es nicht viel um Erleichterung zu erreichen: die Haltung überprüfen und gegebenenfalls verändern, etwas Bewegung hilft schon. Schmerzen und Bewegungseinschränkungen deuten bereits auf einen schwerwiegenderen Prozess hin. Spüren Sie in den Arm ausstrahlende Schmerzen, gibt das entsprechende Areal einen Hinweis auf den betroffenen Muskel oder die Sehne. Langfristig kann das muskuläre Ungleichgewicht zu manifesten Schäden führen. Das heißt, es treten Veränderungen auf, die auch in bildgebenden Verfahren wie Röntgen oder MRT nachweisbar sind: Schultergelenksarthrose, Sehnenschäden, Knochenumbildungen am Schultergelenk oder Kalkeinlagerungen in Muskeln und Sehnen.


Was Sie selbst tun können

Bewegen Sie sich vielfältig

 

Viele von uns sind Bewegungs-Monomanen, wir bewegen uns meist innerhalb gewohnter Bahnen. Unser Körper braucht aber vielfältige und abwechslungsreiche Bewegung um gesund zu bleiben. Denn alles, was nicht genutzt wird, baut der Organismus ab um Energie zu sparen. Vielfältige Bewegungen, die den ganzen Körper ansprechen, bieten zum Beispiel Yoga, Tai Chi und Tanzen. Jede Bewegung, die den Körper außerhalb der vertrauten Muster fordert, ist nützlich.

Spüren Sie sich

 

Eine wichtige Voraussetzung für unser Wohlbefinden ist die Fähigkeit zur Körper-Selbstwahrnehmung. Nur was wir wahrnehmen, können wir verändern. Die Selbstwahrnehmung tritt unter anderem bei starker Ablenkung in den Hintergrund. Mich persönlich zieht beispielsweise ein Bildschirm leicht in den Bann. Höre ich dann mit der Arbeit am Rechner oder dem Smartphone-Gucken auf, spüre ich plötzlich die Müdigkeit, die Nackenverspannung oder den Rücken. Vielleicht kennen Sie das auch?

 

Tipp (wahrscheinlich eher Erinnerung): stellen Sie sich einen Wecker. Spätestens nach einer dreiviertel Stunde ist eine Pause sinnvoll – eine kurze reicht oft schon. Spüren Sie in sich hinein und nehmen Sie Ihre Wahrnehmung ernst. Wenn Sie hinhören, erzählt Ihnen Ihr Körper, was er gerade benötigt: Bewegung, frische Luft, Wasser oder vielleicht ein weiter Blick aus dem Fenster?

Erkunden Sie Ihre Seele

 

Nicht zu vergessen: eine mögliche Ursache (nicht nur) für Schulterschmerzen sind zurückgehaltene Gefühle. Überprüfen Sie, ob etwas an Ihnen nagt. Manchmal genügt es, sich dessen bewusst zu werden und eine angemessene Lösung zu finden. Ist ein inneres Thema zu groß oder zu wuchtig, ist es keine Schande therapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Es gibt Dinge, die können wir nicht alleine lösen, und es ist ein Zeichen von Stärke, das zu akzeptieren und sich Hilfe zu suchen.

Last but not least: Alarmsymptome

 

In diesem Beitrag schreibe ich über die Ursachen und Folgen eines muskulären Ungleichgewichts. Schulterschmerzen können auch andere Gründe haben. Nehmen Sie ärztliche Hilfe in Anspruch, wenn

  • Sie starke Schmerzen haben
  • Ihr Arm blass ist oder bläulich verfärbt
  • der Verdacht einer Entzündung besteht: Rötung, Schwellung oder Ruheschmerz
  • der Verdacht einer Verletzung besteht
  • Sie Taubheit, Missempfindungen oder Muskelschwäche feststellen

 

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesem Artikel einige Zusammenhänge zwischen Schulterschmerzen und Ihrem Körper-Seele-System nahebringen. Haben Sie Gedanken oder Anregungen dazu oder möchten Ihre Erfahrungen teilen, freue ich mich über einen Kommentar.

 

Alles Gute für Sie und bleiben Sie selbstfürsorglich 😊

Quellen: M. Corts ‚Diagnoseleitfaden Osteopathie‘ 3. Auflage 2020, Thieme; Friederike Reumann ‚Ich hör auf mein Bauchgefühl‘ 1. Auflage 2020, Lüchow; T. W. Myers, ‚Anantomy Trains‘ 2. Auflage 2010, Urban & Fischer; Seminarmitschriften Markus Rossmann, ‚Behandlung in Bewegung‘, Oktober 2022

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